SCORA

Drittortbegegnung in Wien – SCORA-Austausch 2025

Im Rahmen der SCORA-AG des Lise-Meitner-Gymnasiums Crailsheim fand vom 17. bis 23.Oktober 2025 eine besondere Drittortbegegnung mit unserer israelischen Partnerschule, der Eitan School im Kibbuz Naan, statt. An dem Austausch nahmen jeweils fünfzehn Schülerinnen und Schüler beider Schulen teil. Ziel dieses Projekts war es, durch persönliche Begegnungen und gemeinsame Erlebnisse den interkulturellen Austausch zu fördern, Vorurteile abzubauen und ein tieferes Verständnis füreinander zu entwickeln.

Die Begegnung stand ganz im Zeichen des zentralen SCORA-Gedankens: Freundschaften und persönliche Kontakte über Ländergrenzen hinweg sind – gerade in politisch und gesellschaftlich herausfordernden Zeiten – ein wichtiger Beitrag zu Verständigung, Toleranz und Frieden. Durch die gemeinsame Zeit in Wien sollten die Jugendlichen lernen, die Perspektive des jeweils anderen einzunehmen und durch den Dialog einen kleinen, aber bedeutsamen Schritt zu einer friedvolleren Welt zu leisten. 

Wien wurde als Treffpunkt bewusst gewählt, da Reisen nach Israel derzeit nicht möglich sind. Die Stadt ist für beide Gruppen gut erreichbar – von Deutschland aus per Bahn, von Israel aus per Flugverbindung – und bietet durch ihre kulturelle Vielfalt, ihre Geschichte und die zahlreichen deutsch-jüdischen Bezugspunkte den idealen Rahmen für dieses besondere Projekt. Die An- und Abreise der deutschen Gruppe erfolgte mit dem Zug. Am Freitag, den 17. Oktober 2025, starteten wir um 7:26 Uhr vom Bahnhof Crailsheim, die Rückkehr war für Donnerstag, den 23. Oktober 2025, um 18:33 Uhr geplant.

Ankunft und erster Tag

Unsere Reise nach Wien begann voller Vorfreude und Neugier. Nach einer angenehmen Zugfahrt kamen wir in der österreichischen Hauptstadt an und wurden herzlich von unseren israelischen Austauschpartnerinnen und -partnern empfangen. Nachdem wir Zeit hatten, unsere Zimmer einzurichten, lernten wir uns bei Spielen und kleinen Gesprächen besser kennen und tauschten gegenseitig Geschenke aus. Am Nachmittag besuchten wir eine Synagoge, wo wir einen tiefen Einblick in Aufbau und Bedeutung dieses religiösen Ortes erhielten. Besonders spannend war die Begegnung mit Symbolen des Judentums, etwa der Tora, und das Kennenlernen der Abläufe eines jüdischen Gottesdienstes. Die Führung vermittelte uns ein besseres Verständnis für das jüdische Gemeindeleben und die kulturellen Hintergründe unserer Partner. Am Abend feierten wir gemeinsam den Sabbat in einem israelischen Restaurant. Die herzliche Atmosphäre, das gemeinsame Essen und die Offenheit unserer Gastgeber machten diesen Abend zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Klassisches Wien und aktuelle Themen

Der zweite Tag stand ganz im Zeichen der klassischen Seite Wiens. Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg in die Innenstadt, wo uns der Fremdenführer Marcelo Abraham durch die beeindruckende Architektur und Geschichte der Stadt führte. Trotz des Wetters konnten wir berühmte Sehenswürdigkeiten wie die Wiener Staatsoper und das Denkmal von Kaiser Franz bewundern. Die Tour bot viele Gelegenheiten zum Austausch mit den israelischen Schülern. Am Nachmittag hielt der israelische Schulleiter Avi eine Präsentation über den Terroranschlag in Israel vom 7. Oktober. In anschließenden Gruppengesprächen diskutierten wir unsere Eindrücke und Gedanken. Dabei wurde deutlich, dass viele israelische Jugendliche selbst kritisch über den Krieg denken. Später begannen wir mit den Vorbereitungen für die am nächsten Tag geplante Holocaust-Zeremonie und ließen den Abend bei einem gemeinsamen Stadtbummel ausklingen.

Erinnerung an die Shoa

Der Sonntag widmete sich ganz dem Thema Shoa. Nach dem Frühstück fuhren wir zum Judenplatz, wo wir an einem zweiteiligen Workshop des Jüdischen Museums teilnahmen. Im ersten Teil lernten wir über den Antisemitismus im Mittelalter und besichtigten die Überreste einer alten Synagoge. Ein 3D-Modell zeigte uns, wie farbenfroh und lebendig dieser Ort einst war. Dabei wurde uns bewusst, wie stark Juden im Mittelalter ausgegrenzt wurden. Im zweiten Teil beschäftigten wir uns gemeinsam mit unseren Austauschpartnern mit den Biografien von Holocaust-Überlebenden. Wir stellten uns vor, wie ihr Leben ohne Verfolgung verlaufen wäre – eine Aufgabe, die uns tief bewegte und uns das unermessliche Leid dieser Zeit noch deutlicher machte. Am Nachmittag fand am Judenplatz eine feierliche Holocaust-Zeremonie statt, bei der wir Kerzen entzündeten, Texte vorlasen und gemeinsam das Lied Imagine von John Lennon sowie die israelische Nationalhymne sangen. Die Reden von Avi Hadida, dem Schulleiter der Eitan School, und Herrn Reno Schwedl vom Lise-Meitner-Gymnasium betonten die Bedeutung von Erinnerung, Freundschaft und Verständigung. Der Abend klang mit einem Konzert des deutsch-jüdischen Pianisten Igor Levit im Musikverein aus – ein bewegender kultureller Höhepunkt. 

Gemeinsame Aktivitäten und europäische Perspektiven 

Am Montag stand die Gemeinschaft im Vordergrund. Nach einer Wanderung veranstalteten wir ein Picknick mit verschiedenen Stationen, Spielen und kulinarischen Spezialitäten. Diese entspannte Atmosphäre förderte den Austausch und das gegenseitige Vertrauen. Am Nachmittag besuchten wir das Haus der Europäischen Union, wo wir in einem Rollenspiel die Entscheidungsprozesse europäischer Politik nachvollziehen konnten. Besonders spannend war die Diskussion über ethische Fragen, etwa den Einsatz moderner Technologie im Alltag. Am Abend besuchten wir gemeinsam den Wiener Prater, lachten, fuhren Fahrgeschäfte und genossen die gemeinsame Zeit – ein unvergessliches Erlebnis, das unsere Freundschaft weiter stärkte.

Israelische Perspektiven und Begegnungen

Am Dienstag nahmen wir an einem Workshop teil, den unsere israelischen Austauschpartner vorbereitet hatten. In einem Zentrum, das jüdischen Kindern und Jugendlichen Freizeitangebote bietet, stellten sie Präsentationen über das Leben in Israel, den Alltag während des Krieges und gesellschaftliche Themen vor. Wir wurden durch interaktive Aufgaben einbezogen und konnten so ihre Perspektiven besser nachvollziehen. Nach einer Mittagspause folgte eine Tour mit dem Studenten und Stadtführer Jonathan, bei der wir erneut den Judenplatz, die Universität Wien und die Namensmauer besuchten – ein Mahnmal, das die Namen von 65.000 im Holocaust ermordeten österreichischen Juden trägt. Besonders berührend war, dort einen Rosenkranz zu sehen, den der deutsche Bundespräsident anlässlich seines Wien-Besuchs wenige Stunden zuvor niedergelegt hatte. Am Abend trafen wir jüdische Jugendliche der Organisation Likrat, die uns von ihrem Leben in Österreich erzählten und offen Fragen beantworteten. Dieser Tag war geprägt von Begegnungen, gegenseitigem Lernen und tiefem Respekt.

Abschlusstag und Rückblick

Am Mittwoch besuchten wir den UNO-Hauptsitz in Wien, dessen Schwerpunkt auf Atomenergie liegt. In einer Führung erhielten wir Einblicke in die Arbeit der Vereinten Nationen und beschäftigten uns mit den globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung. Der Besuch eines echten Konferenzraums, in dem gerade eine Sitzung stattfand, hinterließ einen bleibenden Eindruck. Nachmittags reflektierten wir im Hostel unsere gemeinsame Woche und bereiteten die Abschlussfeier vor. Am Abend feierten wir in einem Restaurant mit Reden, Spielen und einer humorvollen „Oscarverleihung“ mit Kategorien wie Best Duo oder Most Israeli German. Später saßen wir im Hostel noch lange beisammen – lachend, erzählend und dankbar für die gemeinsame Zeit.

Am letzten Tag fiel der Abschied schwer. In einer halben Stunde voller Umarmungen, Tränen und Versprechen, in Kontakt zu bleiben, wurde uns bewusst, wie sehr wir in nur einer Woche zusammengewachsen waren. Durch Offenheit, Empathie und Neugier konnten wir Freundschaften schließen, kulturelle Unterschiede verstehen und voneinander lernen. Diese Drittortbegegnung in Wien hat uns gezeigt, wie wertvoll persönlicher Austausch ist. Sie hat unseren Horizont erweitert, uns in unserem Denken bereichert und deutlich gemacht, dass Verständigung, Respekt und Menschlichkeit die Grundlage für Frieden sind – über Grenzen hinweg.

SCORA-AG LMG und Lehrer (Pu/Es)