Gäste aus Indien am Lise-Meitner-Gymnasium

Vier Wochen lang besuchen 41 indische Schülerinnen und Schüler und zwei ihrer Lehrerinnen ihre Austauschpartner und deren Familien in Hohenlohe. Sie nehmen am Austauschprogramm teil, das seit 13 Jahren zwischen zwei Schulen aus dem Großraum Neu-Delhi und den beiden Gymnasien in Schwäbisch Hall sowie dem Lise-Meitner-Gymnasium in Crailsheim besteht. Bereits im Herbst 2018 hatten sich die jeweiligen Partner kennengelernt, als die Delegation aus Hohenlohe für vier Wochen in Indien weilte.Das umfangreiche Programm der indischen Reisegruppe, das unter Mithilfe der Kollegen Ines Mend und Christian Zierl vom LMG entstand, spiegelt wesentliche Themen der deutschen Geschichte und Gegenwart wider. In Weimar konnten die Jugendlichen auf den Spuren Goethes und Schillers, beim Besuch eines klassischen Konzerts und schließlich bei der Besichtigung des KZ Buchenwald Licht und Schatten der deutschen Geschichte erleben.

Im Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart und bei den Audi-Werken in Neckarsulm erhielten sie zusammen mit ihren deutschen Austauschpartnern Informationen über die Rolle der Autoindustrie in Baden-Württemberg. Einblick in ein modernes Musikstudio vermittelte der Besuch bei Radio Sthörfunk, in der Kunsthalle Würth wurden die Gäste aus Indien mit der Malerei französischer Künstler der klassischen Moderne konfrontiert. Als Kontrast zählten der Waldtag vor den Toren Crailsheims und die Führung über das Gelände der Photovoltaik-Anlage und den Wärmespeichern im Stadtteil Hirtenwiesen zum Thema Umwelt und Nachhaltigkeit, Probleme, mit denen der Subkontinent Indien vehement zu kämpfen hat.

Im Gespräch mit den beidenLehrerinnen aus Indien äußerte Sakshi Arora, Deutschlehrerin an der Schule in Gurgaon, ca. 30 km außerhalb Delhis: „Der Schüleraustausch mit Deutschland ist mit vier Wochen der längste und durch das abwechslungsreiche Programm der populärste im Ranking der europäischen Austauschprogramme an unserer Schule.“ Ihre Kollegin Prerna Saran, Englischlehrerin an der Schule in Noida, einer Industriestadt 30 km vor den Toren der Metropole gelegen, bestätigt diesen Eindruck. Neben Deutschland sind skandinavische Länder, Polen, die Schweiz, Frankreich und Spanien weitere Gastländer beider Schulen. „Die europäischen Länder sind deshalb so begehrt, weil der kulturelle Unterschied im Vergleich mit asiatischen Nachbarländern wesentlich größer und damit interessanter ist“, argumentieren die beiden Lehrerinnen. Einige der ehemaligen indischen Austauschschüler kehrten zum Studium nach Deutschland zurück und arbeiten jetzt hier. Besonders beliebte Studiengänge sind die Ingenieurwissenschaften und Ökonomie. Die Frage nach der Rolle der Frau in der indischen Gesellschaft verbinden die beiden Gesprächspartnerinnen mit der Schichtzugehörigkeit. Für Mädchen aus der Oberschicht ist ein Studium durchaus eine Option, der Beruf der Lehrerin ist bei Frauen beispielsweise sehr begehrt, über 80% ihrer Kollegien seien weiblich. Anders sieht es auf dem Land aus. Viele der Kinder, darunter v.a. Mädchen, genießen nur eine geringe oder gar keine Schulbildung. An der Schule in Gargaon besteht seit einigen Jahren eine sogenannte „Abendschule“. Nach 15 Uhr, wenn die schulgeldpflichtigen Schüler der Oberschicht Unterrichtsschluss haben, werden Kinder aus der Unterschicht unterrichtet. Diese müssen kein Schulgeld bezahlen. So besteht zumindest in den Ballungsräumen die Chance, allen Kindern, unabhängig von Geschlecht und sozialem Status, eine Grundbildung angedeihen zu lassen.

Die Werteerziehung besitzt an den Schulen eine besondere Bedeutung. In sogenannten „Clubs“ – einer Art Arbeitsgemeinschaft- setzen sich die Schüler aktiv mit sozialen und umweltpolitischen Themen auseinander. Jeder Schüler besucht mindestens einen „Club“ wöchentlich im Schuljahr. Beispielsweise wurde dadurch an beiden Einrichtungen erreicht, eine „plastikfreie Schule“ zu werden, außerdem werden gebrauchte Handys und Altpapier recycelt. Dies zeigt, dass nicht nur in Europa eine umweltpolitisch aktive „Fridays-for-future“-Bewegung innerhalb der jungen Generation entstanden ist, sondern dass diese Themen junge Menschen rund um den Globus beschäftigen.