Gedanken zum 100. Geburtstag von Sophie Scholl

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„So ein sonniger Tag, und ich soll gehen. Was liegt an meinem Tod, wenn durch unser Handeln tausende von Menschen aufgerüttelt und geweckt werden.“

Sophie Scholl am Tag ihrer Hinrichtung am 22.02.1943 in München

Sophie Scholl wäre am heutigen Tag 100 Jahre alt geworden. Einige Schülerinnen und Schüler unserer Schule hatten anlässlich dieses Jubiläums die spontane Idee ihre Gedanken in Worte zu fassen.

Im Folgenden finden Sie auszugsweise vier Kurzbeiträge.

 

Verantwortung die nicht vergessen werden darf - Bonifac Kovacs

Heutzutage sind für uns die Freiheiten und Werte, die wir genießen können, selbstverständlich geworden. Die Freiheit, selbst Entscheidungen treffen zu können, unsere eigene Meinung zu äußern, unabhängig von der Herkunft, Hautfarbe, Sprache, Sexualität, Geschlecht oder der Religion.

Diese Freiheiten waren jedoch für eine sehr lange Zeit für die Mehrheit der Menschen nur eine ferne Vorstellung oder Wunschdenken.

Diese Ferne erreichte ihren Höhepunkt in Deutschland in der Mitte des 20. Jahrhunderts während der nationalsozialistischen Diktatur. Für Millionen von Menschen bedeutete sie den Tod.

Unschuldige Männer, Frauen und Kinder, deren einzige “Sünde” in ihrem Abweichen von den von den Nationalsozialisten willkürlich aufgestellten Idealen bestand, wurden geplant ermordet.

Währenddessen schauten die meisten der Deutschen zu, wie das langersehnte Lebensziel, sei es ein Haus, ein Geschäft oder eine Familie, wahllos aus den Händen der Leidtragenden gerissen wurde.

Während die meisten der Menschen diese Ungerechtigkeit des NS-Regimes mit ansahen und nichts dagegen unternahmen, gab es nur Wenige, die sich nicht mit dieser offenen Diskriminierung und Verfolgung ihrer Mitmenschen abfinden konnten.

Zu dieser Minderheit gehörte die Widerstandsgruppe der Weißen Rose um Hans und Sophie Scholl.

Trotz der NS-Erziehung und Teilnahme an NS-Veranstaltungen bemerkte Sophie Scholl recht schnell wie unmenschlich eine Minderheit von Menschen vom Regime behandelt wurde.

Im Januar 1943 fing sie mit der Herstellung von Flugblättern an, die sich gegen das NS-Regime richteten und die Menschen zu Widerstandshandlungen und zum Sturz desselben aufriefen. Zwar konnten die Flugblätter in vielen deutschen Großstädten erfolgreich unter die Menschen gebracht werden, aber dennoch wurde Sophie Scholl im Februar 1943 an der Münchener Universität beim Verteilen bemerkt, verhaftet und am folgenden Tag, zusammen mit ihrem Bruder Hans, durch den berüchtigten Präsidenten des Volksgerichtshofs, Roland Freisler, zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Die Motivation und die Taten der Scholl Geschwister dürfen nie in Vergessenheit geraten. Ihr Kampf für die menschliche Freiheit und Gerechtigkeit ist ort- und zeitübergreifend und findet auch heute noch täglich statt.

Jede Krise, sei es eine Pandemie oder eine Flüchtlingswelle, stellt unsere Gesellschaft und die Freiheiten, die wir heute genießen, vor neue Herausforderungen. Millionen opferten ihr Leben für sie. Auch deshalb sollte es unsere Pflicht sein, uns daran zu erinnern, dass Freiheit und Demokratie nicht selbstverständlich sind.

Bonifac Kovacs, Klasse 10

Ihr Kampf ist nicht vergessen - Lena Messerschmidt

Sophie Scholl wäre heute, am 9. Mai 2021, 100 Jahre alt geworden. Sie war eine facettenreiche junge Frau, der heute unzählige Artikel, Texte und Beiträge gewidmet werden. Artikel, die sich mit den tiefen Spuren beschäftigen, die sie auf ihrem Weg hinterließ. Texte, die untersuchen, wie sie zu einem so unfassbar mächtigen Symbol der Freiheit wurde. Und Beiträge, die ihr wohl so viel gerechter werden als dieser hier. Und dennoch sitze ich jetzt gerade an meinem Computer, um diese Zeilen zu schreiben.

Im Zentrum der oben genannten Texte steht zumeist ihr Kampf für die Freiheit. Sie ist ein Mensch, der größer ist als das Leben, das sie lebte. Sie war Protagonistin des zivilen Widerstands, eine bemerkenswerte Freiheitskämpferin und ist heute Symbol für Hoffnung, Zivilcourage und den unzerstörbaren Glauben an Freiheit. Trotzdem sollten wir nicht vergessen, dass sie vor den Flugblättern und vor der Widerstandsbewegung, vor allem auch eine junge Philosophie- und Biologiestudentin war, die einfach nur ihr Leben lebte. Allerdings war sie eine Studentin, die mutig, hoffnungsvoll und entschlossen genug war, um dennoch, oder gerade deswegen, etwas zu tun. An ihren Mut, an ihre Hoffnung, an ihren Glauben an eine bessere, freiere Zukunft, eine Zukunft für die es sich zu kämpfen lohnt, sollten wir uns gerade heute erinnern. Sie tat das Undenkbare. Sie kämpfte einen Kampf, den sie allein nicht ohne weiteres gewinnen konnte. Sie hoffte, glaubte an ein leuchtendes Licht in all der Dunkelheit. Sie sah es als ihre Pflicht an, im Namen der Freiheit Widerstand zu leisten und die bedrohlichen Schatten mit ihrem eigenen scheinenden Licht zu vertreiben.

Die Schatten aus Sophie Scholls Realität sind dem gleißenden Licht unserer heutigen Zeit gewichen. Viele von uns haben das große Privileg heute in einer geschützten Blase aufzuwachsen, wo wir zumindest eine begrenzte Zeit lang daran glauben können, in einer friedlichen, völlig freien Welt zu leben. Selbst wenn außerhalb der Blase Krieg das Leben von Millionen Menschen bestimmt, Armut Träume auslöscht, über die wir hier nicht einmal zweimal nachdenken müssen, und marginalisierte Minderheiten darum kämpfen müssen, überhaupt gehört zu werden. Nur weil die Menschen vor uns das erreicht haben, was wir heute zumindest im Allgemeinen Freiheit nennen können – einen Zustand, der scheinbar so normal ist, dass wir diesen meist nicht einmal zu schätzen wissen – bedeutet nicht, dass wir aufhören sollten zu kämpfen. Die heutige Gegenwart ist kein Hinweis auf das Ende jenes Kampfes, das Jetzt ist keine Ziellinie, die uns dazu anhält zu stoppen, nur weil es bemerkenswerte Verbesserungen gibt und wir der Vergangenheit drei, vier, fünf Runden voraus sind.
Wir sollten nicht einfach rechts ranfahren und anhalten, bloß weil wir an Boden, an Rechten, an Freiheiten gewonnen haben. Das Jetzt ist vielmehr ein Zeichen dafür, dass wir vorankommen, dass es Fortschritte gibt, dass wir einer freien Welt Runde um Runde näherkommen. Es ist ein Zeichen dafür, dass wir etwas ändern, etwas bewirken können, wenn wir erbittert, leidenschaftlich und hart genug dafür kämpfen. Und anders als Sophie Scholl haben wir heute sogar die freie, sichere Möglichkeit im Angesicht der Ungerechtigkeiten unserer Realität etwas zu unternehmen und dagegen anzutreten.

Und ich weiß, dass es leicht ist, diesen unvollkommenen Zustand zu vergessen, wenn man nicht direkt von diesen Problemen betroffen ist, die oft Stunden, Meilen, Kontinente entfernt zu sein scheinen.

Sophie Scholl war eine bemerkenswerte Persönlichkeit, die daran glaubte, dass wenn man die eigene Meinung nicht laut äußert, man nicht einmal den Hauch einer Chance hat zur Veränderung, zum Wandel der Gesellschaft beizutragen. Sie war davon überzeugt, dass ihr Handeln einen Unterschied macht. Und sie sollte damit Recht behalten.

Keine Handlung ist zu unbedeutend, keine Stimme zu leise und kein Moment des Widerstandes zu kurz, um die richtige Richtung anzusteuern, einen Fuß auf das Gaspedal zu setzen und sich vorwärtszubewegen. Schreibe etwas, informiere dich, erkenne dein Privileg, spreche über deine Erfahrungen, tausche dich mit anderen aus. Und schenke den Stimmen der unterdrückten Menschen Aufmerksamkeit. Und ja, wir brauchen Politiker, die die Welt in großem Umfang verändern, das System reformieren. Aber jede einzelne Stimme, jeder Aufschrei, jede Diskussion trägt zu dem zunehmenden Lärm gegen Ungerechtigkeit, für die Freiheit bei, der irgendwann unüberhörbar wird.

Der Kampf für Freiheit ist nicht dann beendet, wenn einige das Glück haben, sich frei zu fühlen. Er hört nicht auf, bis alle dieses Gefühl teilen können. Bis jeder gehört wird. Bis es Frieden gibt. Warum? – Weil es sich lohnt, dafür zu kämpfen und wir frei sein sollten, egal wo wir geboren werden. Weil wir dann irgendwann keine Risse in der scheinbar glatten Fassade der Freiheiten und des Friedens mehr ausbessern müssen.

Die Weiße Rose und Sophie Scholl kämpften für Frieden und Freiheit und um ihren Kampf zu ehren, sollten wir auf eine noch bessere Zukunft hinarbeiten. Eine Zukunft, in der sie nicht leben konnten. Das schulden wir ihnen, uns und den zukünftigen Generationen.

Lena Messerschmidt (K2)

Ein Vorbild für Mut und Courage - Pascal Warda

In den letzten Wochen drehte sich in den sozialen Medien vieles um das Thema „Sophie Scholl“.

Ich habe ein wenig recherchiert und möchte gerne einen kleinen Beitrag zu ihrem anstehenden Geburtstag leisten.

In der Zeit als Hitler an der Macht war, war Sophie Scholl eine von wenigen Menschen, die sich Hitler widersetzten. Sie war Teil einer Widerstandsgruppe gegen das NS-Regime, die Flugblätter in der Öffentlichkeit verteilte, um gegen Hitler Stimmung zu machen.

Am 22. Februar 1943 wurde sie hingerichtet, da sie von einem Hausmeister beim Verteilen der Flugblätter erwischt wurde.

Allerdings war ihr Handeln nicht umsonst, denn auch heutzutage wird sehr oft über ihr Handeln gesprochen. Sie gibt heute noch vielen Jugendlichen Mut zu demonstrieren und für ihre Wünsche zu kämpfen.

Ich finde, dass sie damals Großes geleistet hat. Wahrscheinlich hätte ich mich nicht getraut diese Dinge zu tun. Sich für das Gute einzusetzen in einer Welt voller Hass und Verfolgung erfordert viel Mut, da ihr klar gewesen sein muss, dass wenn sie auffliegen sollte, ihr Handeln mit dem Tod bestraft wird.

Pascal Warda, Klasse 7

Ein Plädoyer für Pluralismus und Menschlichkeit

„So ein sonniger Tag, und ich soll gehen. Was liegt an meinem Tod, wenn durch unser Handeln tausende von Menschen aufgerüttelt und geweckt werden.“
Sophie Scholl, 22.02.1943

Diese Worte von Sophie Scholl am Tag ihrer Hinrichtung sind geprägt von einer inneren Überzeugung richtig gehandelt zu haben. Sie sind gleichzeitig verbunden mit der Hoffnung, dass das überzeugte und entschlossene Handeln der Widerstandsgruppe nicht umsonst war.

In dieser aussichts- und hoffnungslosen Situation im Februar 1943 mag sich Sophie Scholl als Märtyrerin gesehen haben. Zum Tode verurteilt in einem rechtlosen System, von einem Richter, der seinen Amtstitel nicht im Ansatz verdient.

Hoffnungslos fühlte sich wohl auch eine junge Studentin aus Kassel, Jana. Bei einer öffentlichen Kundgebung der „Querdenker“ im November des vergangenen Jahres wagte die 22-Jährige den situativen Vergleich mit Sophie Scholl.

„Sie fühle sich wie Sie, da sie seit Monaten aktiv im Widerstand ist, Reden hält, auf Demos geht, Flyer verteilt und Demos anmeldet.“

Über Jana ergießt sich ein medialer „Shitstorm“. Außenminister Maas straft Jana per Twitter öffentlich ab. Jana ist gezeichnet, gebrandmarkt für den Rest ihres Lebens.Das Internet vergisst nicht.

Was genau aber ist hier schiefgelaufen?

Um diese Frage zu beantworten lohnt es vielleicht nicht nur einseitig zu erforschen, was Jana dazu gebracht hat, ihre Situation mit der Sophie Scholls zu vergleichen.

Ein Blick ins Geschichtsbuch würde hier schnell Klarheit verschaffen. Man findet auf Anhieb zahlreiche Unterscheide. Sophie Scholl lebte nicht in einem demokratischen Rechtsstaat. Alle Widerstandsgruppen mussten im Nationalsozialismus mit Verfolgung oder gar dem Tod als Strafe für ihr Handeln rechnen. Sophie Scholl durfte nicht einmal Demonstrationen anmelden. Sie ist ein Opfer nationalsozialistischer Terrorherrschaft. Jana hingegen „nur“ ein Opfer von Social Media Entgleisungen.

Was aber hat Jana dann zu diesem Vergleich bewogen? Dummheit mag man ihr nicht unterstellen, sie studiert. Womöglich ist es ein Gefühl des Vertrauensverlustes in unsere Politik, eine Art gewisser jugendlicher Grundskepsis politischen Entscheidungen gegenüber.

Aber ist es nicht genau dieses kritische Denken, was wir unseren Kindern und Jugendlichen innerhalb und außerhalb von Schule für deren weiteren Lebensweg versuchen mitzugeben?

Jana mag sicherlich falsch liegen mit ihrem Vergleich. Aber anstatt sich in multipler Häme über diese junge Frau zu empören, wäre es doch sinnvoller und vor allem auch menschlicher, Jana über ihren misslungenen Vergleich zum einen sachlich aufzuklären und zum anderen auf Jana und andere kritisch denkende Menschen zuzugehen, anstatt Ausgrenzung zu betreiben. Das Jana mit ihrem skeptischen Grundgefühl nicht allein dasteht, zeigt das Beispiel der #allesdichtmachen Protagonisten. Auch hier erfolgt die gleiche Empörung, welche nicht einmal mehr vor Morddrohungen Halt macht.

Derzeit läuft die Aktion #ichbinsophiescholl. Auf Instagramm erhält man einen interessanten Einblick in die alltägliche Gefühlswelt von Sophie Scholl in ihren letzten Lebensmonaten. #ichbinsophiescholl erfreut sich außerordentlicher Beliebtheit. Eine wirklich gute Idee, um den interessierten Jugendlichen Geschichte auf Gefühlsebene zu vermitteln, wie ich finde.

Vielleicht wäre es auch eine gute Möglichkeit, der sich gegenwärtig abzeichnenden und zunehmenden, gesellschaftlichen Spaltung entgegenzutreten, indem wir wieder mehr miteinander kommunizieren, verbal aufeinander zugehen, uns nicht in der Anonymität des Internets verrennen, sondern versuchen, uns in die Gefühlswelt des Anderen hineinzuversetzen.

Dies, so glaube ich, hätte auch Jana verdient.

Andersherum könnte man dem Gedanken nachgehen, wie sich Sophie Scholl in unserer heutigen Zeit verhalten hätte. Und auch wenn meine Annahme manch einen nicht gefallen mag: Ich könnte mir vorstellen, dass sie, aus der sie auszeichnenden grundskeptischen Einstellung heraus, durchaus sehr kritische Fragen an die Politik gestellt hätte.

Das ist es doch aber letztendlich auch, was unsere Demokratie auszeichnet, das nährt sie. Sollte Kritik irgendwann einmal nicht mehr hörbar sein, darf man sich vielleicht zurecht die Frage nach dem Verbleib stellen.

Martin Genske (Geschichte, Gemeinschaftskunde, Sport)